Hinterher Er saß da wie auf einer Sünderbank aber nein in Wahrheit war es vermut lich auch eine Er hatte mehrere wi derrechtliche Einsätze durchgeführt er war in eine Wohnung eingedrungen er hatte seine Schusswaffe eingesetzt und zweimal auf einen Menschen geschos sen er hatte eine Kollegin fahrlässig in Lebensgefahr gebracht und Birte seine Kollegin die ja viel mehr als eine Kollegin war Er wollte gar nicht an Birte denken wie es ihr ging Er hatte völlig versagt Durch das was er getan hatte war die ganze Stadt ins Wanken geraten Die Schlagzeilen überschlugen sich Eine Stadt versinkt im Chaos hatte eine geheißen Panik im Rat haus eine andere Vor dem Präsidium waren drei Kamerateams vorgefahren Gleich würde man ihm mitteilen ob er überhaupt noch ein Angehöriger der Kölner Polizei war Jan Schiller spürte wie sich sein Ma gen zusammenzog Wann hatte er ei gentlich zuletzt etwas gegessen Egal Sogar sein Smartphone hatten sie ihm abgenommen und seine und Birtes Dienstwaffe hatte er nach dem letzten Einsatz abgegeben sie befanden sich vermutlich noch zur Auswertung in der Kriminaltechnik Er dachte daran dass er vor einigen Monaten einmal in einem Moment der Müdigkeit und Re signation seine Kündigung geschrieben hatte Damals hatte er überlegt mit einem Bekannten einem ehemaligen Polizisten eine Art Sicherheitsdienst zu gründen Nun war alles anders gekom men Vermutlich würde er nicht einmal für die Gründung solch einer Sicher heitsfirma eine Genehmigung erhalten Was hätte Therese die alte Hebam me die ihn wie eine Mutter sein Leben lang begleitet hatte ihm in dieser Lage geraten Jung nichts wird so heiß ge gessen wie es gekocht wird und du hast Nadine und freue dich über die gute Nachricht Doch Therese war tot sie lag in dunkler kalter Erde und war nur noch in seinen Gedanken lebendig Er blickte durch das Fenster am Ende des Flurs zum Dom hinüber Wie vor einem strahlend blauen Tuch rag te die Kathedrale da auf seit Tagen herrschte in Köln schönstes Sommer wetter und bald brach der längste Tag des Jahres an Die Tür zum Vorzimmer des Polizeipräsidenten wurde geöffnet Herr Kriminalhauptkommissar kommen Sie bitte herein sagte eine förmliche Männerstimme Schiller erhob sich langsam Er ver suchte zu lächeln Köln Krimi Leseprobe KÖLNER KASINO Die Entscheidung über seine Zu kunft bei der Kölner Polizei war offen bar gefallen 1 Jan Schiller saß auf der Fensterbank und schaute den vollen Mond an Ein bleiches Licht breitete sich über den Dächern der Nachbarhäuser aus Die eine große Linde im Hinterhof wirkte als hätte sie jemand silbern angestri chen Nadine lag im Bett und schlief ihr blondes Haar hatte sich um ihren Kopf aufgefächert manchmal seufzte sie leise im Schlaf Nachdem sie sich geliebt hatten hatte sie sich nur ein dünnes gelbes T Shirt übergestreift Ihr Gesicht wirkte völlig entspannt sie hat te sich ganz der Ruhe und dem Schlaf ergeben Er aber konnte nicht schlafen Der Mond zog langsam weiter weißlich schimmernde Wolken schweb ten um ihn herum Ich bin der glücklichste Mensch der Welt dachte Schiller Vor ein paar Wochen war es noch ganz anders gewesen da hatte er Therese die alte Hebamme die fast dreißig Jahre lang eine Art Familienersatz für ihn gewesen war zu Grabe tragen müssen Den Verlust hatte er jeden Tag gespürt ein Schmerz als würde ihm ein wichtiger Teil seines Körpers fehlen als hätte man ihm etwas herausgerissen das er unbedingt für sein Gleichgewicht und Wohlergehen brauchte Seine Kollegin Birte Jessen und er hatten den Mord an Therese zwar aufgeklärt aber das war letztlich kaum mehr als ein schwacher Trost gewesen Wenn er die Augen schloss das milchige Mondlicht für Momente aus sperrte konnte er ihre mädchenhafte keckernde Stimme hören Jung et es jot wie et es Ihr Gottvertrauen hatte sie niemals verlassen Und nun Nadine drehte sich herum sie flüsterte etwas im Schlaf das wie ein Name klang Rief sie ihn ins Bett Sie schien sich kurz aufzurichten doch dann sank sie wieder zurück und at mete ganz regelmäßig ein und aus Sie war die schönste und klügste Frau die er jemals getroffen hatte und nun war sie schwanger Sie hatte es ihm am Abend gesagt ganz unprätentiös beim Kaffee in einem Nebensatz Übrigens mir war in den letzten Tagen immer so schlecht morgens Da bin ich heute auf die Aachener Straße in die Apotheke gegangen und habe mir einen Schwan gerschaftstest gekauft Positiv Schön oder Schön oder Er hatte zuerst gar nicht reagieren können Nadine er laubte sich manchmal schlechte oder ganz schlechte Scherze sie konnte herausfordernd spöttisch sarkastisch sein doch an ihrem forschenden Blick hatte er bemerkt dass es ihr ernst war Sie hatte keinen Witz gemacht um ihn irgendwie auf die Probe zu stellen Ein Kind stammelte er Wir be kommen ein Kind Sie nickte lächelnd Ja eine unbe fleckte Empfängnis war es wohl nicht Er küsste sie auf den Mund dann zogen sie sich gegenseitig aus und lieb ten sich Was das alles bedeutete hatte er erst später begriffen als er allein mit sich im Mondlicht am Fenster saß Er würde ein Kind haben er war zwei undvierzig Jahre alt längst nicht mehr jung und nun war es so weit Carla seine frühere Freundin hatte es irgend wann aufgegeben mit ihm übers Kin derkriegen zu sprechen bei ihr war er unsicher und zögernd gewesen doch bei Nadine war alles viel einfacher und eindeutiger Therese war tot und er wurde Vater Stumm hatte er ihr davon erzählt Therese stell dir vor ich der eigensin nige oft missgelaunte Polizist werde bald mit einem Kinderwagen durch die Gegend laufen Er hörte wieder ihr meckerndes Lachen Dat war och Zick min Jung Auch seinem Vater dem seit fast dreißig Jahre toten Motorradpolizisten schickte er eine stumme Botschaft ins Nirgendwo Im Gegensatz zur redse ligen Therese antwortete er jedoch nicht Birte müsste er sofort davon erzäh len überlegte er sich und Broder dem Maler seinem besten Freund Birte würde vielleicht ein wenig neidisch werden Insgeheim rechnete er aller dings damit dass sie und ihr Freund Max sich schon länger über ein ge meinsames Kind Gedanken machten Der Mond zog immer weiter ei nen silbrigen Schweif zog er hinter sich her Wann würde das Kind kommen Nun war Mitte Juni Vermutlich im Februar hatte Nadine gesagt Er hatte seinen Kopf auf ihren Bauch gelegt und gelauscht ob schon etwas zu hö ren war Nee hatte Nadine gesagt ich glaube es spricht noch nicht zu dir Nie hatten sie darüber geredet zu heiraten mit keiner Silbe und Nadine würde es auch nicht tun Das wusste er genau Sie war Dramaturgin am Thea ter ihre Freiheit und Unabhängigkeit gingen ihr über alles doch nun das Kind Reinhard Rohn Reinhard Rohn 1959 in Osnabrück geboren lebt seit über 30 Jahren in Köln und arbeitet als Verlags leiter in einem Berliner Verlag Er hat zahlreiche Kriminalromane ins Deutsche übersetzt und mehrere Spannungsromane geschrieben R en o En ge l 32 33

Vorschau GMKG Magazin 2023 Seite 32
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