Doch auch ohne ihn konnte Venray sowohl Recht ausüben als auch Urteile fällen Der Herzog sein Oberbefehlsha ber hatte ihn persönlich in das Amt des höchsten Policeyvertreters in seinem Herzogtum berufen Kurioserweise hat te Venray tausend Reichstaler bezahlen müssen um die Berufung antreten zu dürfen auch für ihn war das eine beachtliche Investition Ein solches Amt konnten nur diejenigen bekleiden die über finanzielles Vermögen verfügten Das alles schrie so sehr nach Reformen dass es Venray immer öfter regelrecht schmerzte Und das nicht nur weil er Rousseau Voltaire Montesquieu oder die Werke des preußischen Völker rechtlers Samuel von Pufendorf studiert hatte Venrays Lieblingszitat von Pufendorf war Der Mensch ist von höchster Würde weil er eine Seele hat die ausgezeichnet ist durch das Licht des Verstandes durch die Fähigkeit Dinge zu beurteilen und sich frei zu entschei den und die sich in vielen Künsten auskennt Das hatte dieser großartige Denker schon vor einhundert Jahren geschrieben Die Monarchie und den deutschen Staat dagegen bezeichnete er als Monstrum Und was war seitdem passiert Veränderungen traten wenn überhaupt nur äußerst langsam ein Generell gab es bei den Herrschenden den weltlichen wie kirchlichen Fürsten kaum ernsthaftes Interesse an sozi alen Verbesserungen im Sinne der oft notleidenden Bevölkerung gar nicht zu sprechen davon für Gerechtigkeit zu sorgen Es war einfacher die zu nehmende Verarmung zu verleugnen als etwas dagegen zu unternehmen Es war noch ein sehr weiter Weg bis Reformen Fuß fassen konnten Die Allmacht der Aristokratie war ungebro chen Veränderungen auf Kosten des eigenen Wohlstands waren nahezu un denkbar Wie der König von Frankreich vom ländlichen Versailles aus regierte so bestimmte gleich ihm eine kleine Eli te an Monarchen und Territorialfürsten von ihren luxuriösen Landgütern aus über das Schicksal der gesamten Welt Ich liebe die Tat und die Tatsache begann Venray und sein tadelnder Blick wanderte zum alten Wittib doch dann brach er seine Ausführungen jäh ab Kalter Schweiß stand auf der Stirn seines Dieners Die Nase triefte und die Wangen schienen zu glühen Er fieber te Sein Diener war krank und was das in diesem Winter bedeutete bereitete Venray augenblicklich Sorgen Setz dich zu mir und wärm dich Das ließ sich Wittib nicht zweimal sagen und sackte auf eine Bank neben dem Ofen Doch er ruhte nur kurz und holte aus seinem Umhang einen ellenlangen Parierdolch hervor den er mit Geduld und Sorgfalt über einen Schleifstein zog An den Schaft des Dolchs hatte man zwei Einkerbungen geschmiedet die dazu dienten die Klinge eines feindlichen Rapiers einzu fangen und zu brechen Derweil vertiefte sich Venray wieder in seine Lektüre Er überlegte welchem Blatt er sich als Nächstes widmen sollte Seine Wahl fiel auf ein Wochenblatt aus Cöln La Tribune Colonaise war für ihren kaisertreuen Konservativis mus bekannt Venray las einen Artikel auf Französisch der sich als ein reines Loblied auf Gottes Allmacht erwies Güte und Allmacht des göttlichen Herrn seien auch dafür verantwortlich Gerechtigkeit zu üben Denn was sonst könnte Ursache für das sein was die Menschen diesen Winter erlitten Die ser besondere Winter drücke die be sondere Schwere der Vergehen aus die der Mensch büßen müsse Man müsse beten um den Winter zu beenden Gottes Zorn in Gestalt eines ewigen Winters war gerecht Arme und Mit tellose litten besonders während es bei den Reichen Adligen und Kirchenfür sten oft genügte sich einzuschränken Die Armen waren dieser Theorie 89

Vorschau GMKG Magazin 2022 Seite 89
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