Wortlos reichte Wittib seinem Herrn die Pfeife und nahm ihm die erkaltete ab Dann entzündete er einen Kienspan im Ofen und reichte das brennende Holz seinem Herrn weiter Venray paff te bis sich dicke Schwaden in der Stu be verteilen Was ist das für ein entsetzliches Kraut brachte der Freiherr hustend hervor Oberbergische Wiesenkräuter erklärte Wittib Willst du mich vergiften Wittib Nur stückweise erwiderte der Alte was Venray mit einem verblüfften Geschichtsausdruck quittierte Während Wittib die erkaltete Pfeife reinigte erklärte er dass er den guten Originaltabak aus Indonesien mit heimi schen Kräutern vermengt habe Grund dafür sei natürlich lediglich die drin gend notwendige Sparsamkeit nicht der Genuss Denn der Tabak gehe wie alles andere auch aus und man wisse nicht wann oder ob überhaupt neuer nachgeliefert werde Und bei der Men ge Pfeifentabak die der Amtmann tag täglich in die Luft pustete könne es zu einem ernsthaften Engpass kommen Aber Euer Hochwohlgeboren mei nen ja ich wolle ihn vergiften maulte Wittib beleidigt weiter Kerzen bei Tag den feinsten Tabak und was sonst noch für Euch herrscht ja immer noch Überfluss Venray ließ den Alten reden Ach ein Bad und ein saftiger Braten tag träumte er dann das würde dir auch guttun Was Beides vor allem aber wohl ba den tadelte Venray seinen Diener Euer Hochwohlgeboren können ja selber in den kalten Schnee springen Nach einer Weile fuhr Wittib fort Ich habe schon mal gebadet da hat Euer seliger Herr Vater der Freiherr noch in die Windeln geschissen So alt bist du nun auch wieder nicht presste Venray zwischen den Lippen hervor ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen Ihr müsst es ja wissen Wittib weißt du der Trick wenn man das so nennen kann beim Baden ist der dass man es öfters macht also um genau zu sein regelmäßig und nicht bloß einmal Nein beharrte der Alte stur wie gesagt ich habe es ausprobiert dieses Baden ist nichts für mich Venray blickte seinen Diener an und um sich ein Lachen zu verkneifen begann er damit seine Zeitungen zu ordnen Was würde ich nur ohne dich tun mein lieber Wittib Vermutlich genauso durch die Welt tingeln wie jetzt und Schnitzeljagd mit Halunken spielen statt daheim in Düs seldorf im behaglichen Amtmannhaus zu speisen spielte sein Diener auf die gegenwärtige Situation an Ihr solltet endlich wieder heiraten und die Füße stillhalten Der Jüngste seid Ihr auch nicht mehr belehrte Wittib seinen Herrn weiter Nun ist es aber genug entgegne te Venray dem Alten du alter Murr kopf Nicht schon wieder diese Leier Auf seiner Räuberjagd hatte sich Venray mitsamt seiner kleinen Schar Landreiter im bergischen Odenthal im Haus des Pulvermachers Franziskus The len einquartiert Thelens Schwarzpulver war über die Landesgrenzen hinweg bekannt Jederzeit erwartete Venray die Rückkehr seines Kundschafters der ihm nähere Informationen zum Aufenthalts ort der Räuberbande bringen sollte Als Amtmann für gute Wohlfahrt war Venray für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im gesamten Herzogtum Jülich Berg zuständig Die vereinten Herzogtümer Jülich und Berg unter ihrem Herzog Carl Theodor der als Kurfürst auch die Pfalz und Bayern regierte kesselten territorial die freie Reichsstadt Cöln von allen Seiten ein Venrays Zuständigkeitsbereich erstreck te sich im Nordwesten vom Niederrhein nach Osten bis ins Sauerland und nach Süden weit über Bonn hinaus Er kümmerte sich um eine Vielzahl von Gemeinden und Landkreisen Daher war er auch viel unterwegs Er war der höchste Policeybeamte im Herzogtum Verbrecherjäger und Richter in einer Person Nicht nur daran hätte Venray gerne Veränderungen vorgekommen Im Rang über ihm stand neben dem Herzog Kurfürst Carl Theodor selbst nur der Statthalter als der offizielle Vertreter des Herzogs Hofrat Graf Mel chior von Gollstein Spross einer uralten Adelsfamilie Der Graf hasste Verände rungen Venrays Reformbemühungen waren ihm so willkommen wie eine tödliche Seuche Die Abschaffung der alten Zeiten absoluter Willkür war in Venrays Augen längst überfällig doch wann immer er mit Vorschlägen kam winkte der Graf ab egal ob er damit die Meinung des Herzogs vertrat oder nicht Wissenschaften und Vernunft wa ren dem Hofrat ein Graus Mit großer Vorliebe trug er altmodische Perücken momentan ließ er sich von einem nie derländischen Maler im Hermelinmantel porträtieren Dieses Vorrecht weißen Pelz zu tragen stand eigentlich nur dem Herzog in seiner Funktion als Kur fürst selbst zu sprach aber Bände über Gollstein Venray hatte bei seinem letz ten Gespräch mit ihm einen Blick auf das noch unvollendete Werk werfen können Eine gewisse Ähnlichkeit zum unlängst vom Herzog und Kurfürsten entstandenen Porträt desselben Malers konnte nicht geleugnet werden Selbst der Wittelsbacher Hubertusorden sowie der Marschallstab durften auf dem Bildnis nicht fehlen Dass er damit seine Befugnisse klar überschritt kümmerte Graf Gollstein offenbar wenig Die Eitelkeit des Hofrats kannte kei ne Grenzen Auf niemanden hätte die Bezeichnung eitler Pfau wohl besser gepasst Gollstein bevorzugte gepuder te Perücken und schwelgte auch sonst gern im althergebrachten feudalen Prunk Zwar ließ der Kurfürst seinem Statthalter bei vielen Fragen freie Hand aber Venray wusste nur zu gut dass beide nicht in allen Punkten einer Mei nung waren Denn Carl Theodor war durchaus bestrebt Modernisierungen in seinem gesamten Fürstentum einzu führen 88

Vorschau GMKG Magazin 2022 Seite 88
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